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Demokratie in der Krise: Herausforderungen und Empfehlungen

19-08-2020

In den letzten Monaten organisierten wir mehrere interaktive Online-Diskussionen zu unterschiedlichen Aspekten der Demokratie während der aktuellen Covid-19-Pandemie. Ziel dieser Diskussionen war es, Ideen zwischen Expert*innen und Teilnehmenden aus der ganzen Welt auszutauschen und Empfehlungen zu erarbeiten, wie mit den Auswirkungen des Virus auf zahlreiche Teilbereiche der Demokratie umgegangen werden kann. Die Online-Diskussionen waren in 6 Themenblöcke unterteilt.

von Reiner Duvenage.

Zunächst untersuchten wir, wie Covid-19 Wahlen beeinträchtigte. Herausforderungen ergeben sich bei der Registrierung für Wahlen, der Wahlkampffinanzierung, Informationskampagnen und der Stimmabgabe selbst. Unsere Diskussion bezog sich hauptsächlich auf die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2020, die nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt von weitreichender Bedeutung sein werden. In unserer Diskussion betonten Expert*innen, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass alle Wähler*innen über den Registrierungsprozess für die Briefwahl und den Versand von Briefwahlscheinen informiert sind. Die zivilgesellschaftliche Organisation "Voters not Politicians" hatte eine Reihe von Kampagnen durchgeführt, um sicherzustellen, dass ordnungsgemäße demokratische Verfahren in den bevorstehenden Wahlen eingehalten werden. Während der Covid-19-Pandemie wurde auch beobachtet, dass die Kampagnenfinanzierung besonders für kleinere Parteien schwieriger geworden ist. Ein drastisches Umdenken und eine Neubewertung der Finanzierung sind erforderlich. Dazu gehört der Einsatz von Online-Kampagnen, Crowdfunding und Online-Informationskampagnen.

 Auch besprachen wir verschiedene Fragen im Zusammenhang mit direkter Demokratie, die in den letzten Monaten immer deutlicher zutage traten. Für Organisator*innen von Initiativen war es schwierig, Unterschriften zu sammeln und für das jeweilige  Anliegen zu sensibilisieren. Die Empfehlung: Verwaltungen sollten die Online-Registrierung für direktdemokratische Abstimmungen ermöglichen und die Fristen für die Unterschriftensammlung verlängern. Die Bürger*innen sollten sich von der Situation nicht entmutigen lassen und in die Öffentlichkeitsarbeit investieren, um online Unterschriften zu sammeln und Kampagnen durchzuführen. Zudem können sie den Lockdown auch dazu nutzen, sich noch besser über den Prozess der direkten Demokratie zu informieren und praktikable Pläne für künftige Initiativen zu entwickeln.

 Drittens befassten wir uns mit Fragen des Datenschutzes, die während der globalen Gesundheitskrise relevant wurden. Hier sind insbesondere die vielerorts eingeführten Tracking-Apps zu nennen. In vielen Ländern eingeführt, sollten sie die Ausbreitung des Virus verfolgen und verlangsamen. Vielerorts gibt es jedoch Bedenken über die Verwendung der gesammelten Daten und darüber, wie sie die Rechte und Privatsphäre der Bürger*innen verletzen könnten. Aus unseren Diskussionen konnten wir eine Reihe konkreter Empfehlungen zur Gewährleistung eines verbesserten Datenschutzes bei der Verwendung von Coronavirus-Tracking-Apps ableiteten, wie z.B. das Einholen der individuellen Zustimmung und die automatische Löschung von Daten nach festgelegten Zeiträumen.

Gewaltenteilung war das Thema der vierten Diskussionsrunde. Mit Expert*innen verschiedener Länder, in denen die Covid-19-Krise zu demokratischen Rückschritten und Machtmissbrauch geführt hatte, sprachen wir über die Situation vor Ort. In vielen Fällen nutzten Regierungen den Ausnahmezustand aus, um per Dekret zu regieren. Sie umgingen so rechtliche Verfahren für den Erlass neuer Gesetze zur Festigung ihrer Macht. Aus unseren Gesprächen wurde deutlich, dass Länder mit stärkeren und widerstandsfähigeren Demokratien in Krisenzeiten weniger anfällig für diese Art von Machtmissbrauch sind. Dies legt nahe, dass Demokratie auch durch direkte demokratische Beteiligung verbessert werden könnte, um Politiker*innen zur Rechenschaft zu ziehen. Sind demokratische Strukturen robuster, ist es weniger wahrscheinlich, dass es in Krisenzeiten zu den oben genannten Übertretungen kommt.  In ihrem Buch "Krisendemokratie" plädiert Tamara Ehs auch für die Einrichtung eines parlamentarischen Zukunftsausschusses nach finnischem Vorbild, der mittel- und langfristige Strategien entwickeln soll. Auch in Finnland verbindet dieser Ausschuss die Meinungen von Expert*innen mit der öffentlichen Meinung. Er kann Fragen beantworten und Hinweise auf mögliche Hindernisse geben, bevor diese zum Problem werden. 

 Zwei Diskussionen organisierten wir zu Pressefreiheit und Transparenz. Die Verbreitung von Fake News stuften die Teilnehmenden als eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit ein. Fake News lassen sich jedoch nur sehr schwer durch Gesetze außerhalb der bestehenden Verleumdungs- und Diffamierungsgesetze regulieren. Unsere Hauptempfehlung besteht darin, "Medien- und Informationskenntnisse" zu fördern, so dass Menschen zunehmend in der Lage sind, die Richtigkeit von Informationen anhand zuverlässiger und überprüfbarer Daten festzustellen.  

Auch die öffentliche Debatte und die Transparenz der Entscheidungsfindung haben unter den Einschränkungen von Covid-19 gelitten. Wieder empfahlen Expert*innen, sich für mehr direkte Demokratie einzusetzen, bereits vorhandene Instrumente zu nutzen und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Open Government Partnership zusammenarbeiten, um Veränderungen im demokratischen System anzuregen und sich an Debatten mit Politiker*innen zu beteiligen.

 Schließlich wurden, mit dem Stillstand des öffentlichen Lebens, Bürgerversammlungen und Bürgergespräche eingeschränkt. Persönliche Treffen waren nicht möglich und Regierungen trafen schnell Entscheidungen ohne öffentliche Beteiligung. Unsere Expert*innen empfahlen, Bürgerversammlungen nach dem Vorbild Frankreichs und Großbritanniens in den Cyberspace zu verlegen. Hier fanden aufgrund Covid-19 Versammlungen online statt. Technokratische Regierungen sollten auch anerkennen, dass sich die Demokratie in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Zudem wäre es sinnvoll, ein System des Bürgerdialogs einzurichten und die Ergebnisse dieser Dialoge bei der Gestaltung der Gesetzgebung konkret zu nutzen.

 Dieser Artikel enthält eine Zusammenfassung der Herausforderungen und Empfehlungen, die wir während unserer sehr anregenden Diskussionen der letzten 6 Wochen erarbeitet haben. Wir möchten betonen, dass diese Empfehlungen Ergebnisse unserer konstruktiven Dialoge mit Expert*innen und Teilnehmenden sind, aber auch, dass sie je nach Entwicklung der Covid-19-Situation eventuell angepasst werden müssen. Die vollständige Übersicht der Empfehlungen und die aufgezeichneten Diskussionen in voller Länge finden Sie auf unserer Webseite. Auch das bevorstehende Online Global Forum on Modern Direct Democracy vom 21. bis 29. September 2020 greift die Empfehlungen als Diskussionsthema wieder auf.

 Wir freuen uns darauf, die Debatte fortzusetzen, neue Vorschläge zu erarbeiten und Bürgerbeteiligung in Form von direkter Demokratie auf dem Online Global Forum on Modern Direct Democracy weiter zu fördern!

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