Wie bei jeder Wahl, bei der die Menschen die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen über Sachfragen zu treffen, die ihr tägliches Leben beeinflussen, waren die Themen der Abstimmungsvorschläge weitreichend - von Tierschutz, Drogenlegalisierung, Arbeitnehmerrechten, Rasse und Einwanderung, Abtreibung bis hin zur Gestaltung einer neuen Flagge, Souveränitätsrechten und über das Schicksal der direkten Demokratie selbst.
Die Wähler*innen in Colorado stimmten für die Wiedereinführung der grauen Wölfe in den südlichen Rocky Mountains, nachdem sie in den 1940er Jahren bis zur Ausrottung gejagt worden waren. In Arizona und New Jersey stimmten die Bürger*innen dafür, den Freizeitkonsum von Marihuana zu legalisieren, während South Dakotans sowohl für den medizinischen als auch für den Freizeitkonsum stimmte. In Kalifornien wurde die Zukunft von Gig-Firmen wie Lyft und Uber gesichert, da die Wähler*innen arbeitsrechtlichen Änderungen zustimmten, die es den Firmen ermöglichen, ihr erfolgreiches Geschäftsmodell fortzusetzen.
Abtreibung bleibt weiterhin ein Thema ohne klaren Konsens in der nationalen Wählerschaft. Die Wähler*innen in Louisiana stimmten für stärkere Beschränkungen von Abtreibungen, während die Wähler*innen in Colorado diese ablehnten.
Auch Rasse und Einwanderung standen auf dem Wahlzettel, wenn auch in einigen Fällen auf subtile Weise. In Rhode Island stimmten die Wähler*innen zu, das Wort "Plantagen" aus dem offiziellen Staatsnamen zu streichen. In einer symbolischen Abstimmung in Alabama stimmten die Wähler*innen der Streichung von Formulierungen aus der Verfassung des Bundesstaates zu, die Weißen und Männern bestimmte Rechte einräumte, und in Mississippi entschieden die Wähler*innen für eine neue Staatsflagge, mit der die Symbole der weißen Vorherrschaft endgültig entfernt wurden. In Alabama, Colorado und Florida stimmten die Wähler*innen mit überwältigender Mehrheit für Verfassungsänderungen, die klarstellten, dass nur US-Bürger an den Staats- oder Kommunalwahlen teilnehmen dürfen.
In Puerto Rico, welches kein Staat, sondern ein Protektorat der Vereinigten Staaten ist, haben die Wähler*innen erneut für die Aufwertung zu einem US-Bundesstaat gestimmt. Die Abstimmung ist nicht bindend, aber es besteht die Hoffnung, dass der US-Kongress dies zur Kenntnis nimmt und erwägt, Puerto Rico zum 51. Staat zu machen und somit das Selbstbestimmungsrecht des Bürger*innen respektiert.
Die Zukunft der direkten Demokratie selbst stand in mehreren Staaten auf dem Wahlzettel. Gesetzesvorschläge, die die Verabschiedung künftiger Abstimmungsvorlagen erschweren würden, standen in Arkansas, Florida und North Dakota auf dem Wahlzettel. Die Wähler*innen in Florida und North Dakota lehnten die Forderung ab, dass Verfassungsänderungen zweimal verabschiedet werden müssten, bevor sie in Kraft treten könnten, und in Arkansas wurde auch ein Gesetzesvorschlag abgelehnt, der das Sammeln von Unterschriften für die Abstimmung erschweren sollte. Dies sind Ergebnisse, die den festen Glauben der Bürger*innen an die Notwendigkeit der direkten Demokratie als Kontroll- und Ausgleichsmöglichkeit für die Regierung deutlich machen.
Doch obwohl die Bürger*innen bei dieser Wahl deutlich gemacht haben, dass sie ein starkes und lebendiges System der direkten Demokratie wollen, sprechen die Gerichte den Menschen immer häufiger die Fähigkeit ab, in Fragen, die ihnen am wichtigsten sind, richtig zu entscheiden. Durch großzügige und fragwürdige Auslegungen der formalen Voraussetzungen für die Aufnahme von Themen in den Wahlzettel, haben die Gerichte Initiativen vor der Wahl für ungültig erklärt, da sie gegen undurchsichtige und unlogische Gesetze verstoßen haben, die sowohl den Inhalt von Wahlvorschlägen einschränken, als auch vorschreiben wer überhaupt Unterschriften sammeln darf.
Diese Wahl hat, wie viele andere zuvor auch, deutlich gemacht, dass die direkte Demokratie auf der Ebene der Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten ein wichtiges Instrument der Selbstverwaltung und eine notwendige Kontrolle ist, wenn es darum geht, die Macht der Regierungen einzuschränken. Sie ist auch ein Sicherheitsventil, das es dem Volk ermöglicht, über kontroverse und spalterische Fragen so abzustimmen, dass eine friedliche Lösung des Problems erreicht wird. Dadurch wird der politische Stress verringert, der zu anhaltenden Unruhen unter den Wähler*innen führen könnte. Aus diesem Grund ist die direkte Demokratie auch auf Bundesebene ein entscheidendes Instrument, über das diskutiert werden muss - um auf Bundesebene das gleiche Sicherheitsventil zu ermöglichen, das auf Landesebene zur Verfügung steht. Die Amerikaner*innen brauchen die Möglichkeit, ihre Meinung zu höchst kontroversen Themen kollektiv als Nation zu äußern. Wenn es eine direkte Demokratie auf Bundesebene gäbe, bestünde kaum Zweifel daran, dass die Wähler*innen mit geringerer Wahrscheinlichkeit Personen ins Amt wählen würden, die von der Uneinigkeit eines Themas profitieren, und stattdessen diejenigen ins Amt setzen würden, die die Rechtsstaatlichkeit respektieren und sich für die Einigung und nicht für die Spaltung einsetzen werden. Hoffen wir, dass diese Wahl der erste Schritt ist, um das kritische Bewusstsein zu wecken, das notwendig ist, um den Bürger*innen direkte Demokratie auf föderaler Ebene zu ermöglichen, damit wir unser Schicksal nicht länger in die emotionalen Verirrungen einer einzelnen Person legen müssen.
Artikel Bild von Patrick Thibodeau (CC BY 2.0 - https://www.flickr.com/photos/18635830)