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6 Länder, 6 Erinnerungsorte und 12 Kuppelgespräche

09-11-2021

6 Länder, 6 Erinnerungsorte und 12 Kuppelgespräche - das war das Motto der diesjährigen "Remember-Tour" der European Public Sphere. Unterstützt durch das Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" der Europäischen Union, war die "Remember Tour" eine Feier zum 70. Jahrestag der Schuman-Erklärung, die der ehemalige französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1951 abgab. In dieser Erklärung schlug er eine gemeinsame Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl für Frankreich, Deutschland und andere beitrittswillige Länder vor.

Um den Ausgangspunkt dessen zu würdigen, was sich später zur heutigen Europäischen Union entwickelte, fanden alle 12 Kuppelgespräche der Tour jeweils an wichtigen Erinnerungsorten statt. Inspiriert von der Vergangenheit sprachen wir über das bereits Erreichte und die kommenden Aufgaben der Europäischen Union. Und da gab es viel zu bestaunen!

Die Tour begann im Juli mit 2 Dome-Talks im Grenzmuseum Schifflersgrund. Nahe der Mitte Deutschlands gelegen, präsentiert das Grenzmuseum heute den längsten noch existierenden Teil jenes Zauns, der die ehemalige innerdeutsche Grenze bis 1989 markierte. Das Museum hält die Erinnerung an viele Leben wach, die von Trennung und Freiheitskämpfen, aber auch von der Wiedervereinigung in Deutschland und damit - wie in der Diskussion zu Recht noch einmal betont - in Europa geprägt waren. Ein Ort also, an dem man wirklich spürt, was wir alle durch Einigkeit, offene Grenzen und gemeinsame Werte täglich gewinnen! Wir haben uns gefreut, viele zivilgesellschaftliche Vertreter*innen aus den beiden angrenzenden Bundesländern, Politiker*innen von der Kommunal- über die Bundes- bis hin zur europäischen Ebene und natürlich Bürger*innen begrüßen zu dürfen!

"Unsere Generation hat die Macht, eine konsolidierte Gesellschaft aufzubauen. Wir sind die Veränderung, die wir in der Welt sehen wollen."

Teilnehmer in Bukarest

Unsere nächste Station, ebenfalls im Juli, führte uns nach Bukarest. Auf dem Universitätsplatz, dem historischen Kilometer 0 der Demokratie, luden wir zu einem politischen Brunch in einem Pub ein. Auf dem Universitätsplatz kämpfte das rumänische Volk im Dezember 1989 für seine Freiheit gegen das Ceaușescu-Regime. Auf dem Universitätsplatz gipfelte auch der Konflikt zwischen den neuen Machthabenden und der sich herauskristallisierenden Zivilgesellschaft im Juni 1990, als die neue Regierung Bergarbeiter im Jiu-Tal aufforderte, antikommunistische Proteste gewaltsam zu unterdrücken. Noch heute ist der Universitätsplatz der zentrale Demonstrationsort für Demokratie, Freiheit und europäische Werte in Bukarest. Mehr als 40 Personen verbrachten ihren Samstag mit uns und tauschten sich zu Demokratie, Korruption, Ost- und Westgefällen, der Rolle der Jugend und vielen anderen Themen aus.

"Das Wichtigste meiner Meinung nach ist Erziehung, und zwar anhand des persönlichen Beispiels. Denn wenn wir die Liebe zur Natur nicht in unserem täglichen Leben zeigen, was das Natürlichste ist, können wir sie nicht an andere weitergeben." 

Teilnehmerin in Burgas

 

Burgas, der südöstlichste Teil der Europäischen Union, war die dritte Station unserer Reise Anfang August. Und im Seaside Park direkt am Strand hätte die Diskussion nicht fruchtbarer und entspannter sein können. Während die Demonstrationen gegen das Regime im November 1989 auf dem Kyrill- und Methodiusplatz im Stadtzentrum stattfanden, war der Park einer der wenigen Orte, an dem diese antikommunistischen und pro-demokratischen Ideen entstehen und unter den Bürger*innen verbreitet werden konnten, ohne das eigene Leben zu gefährden. Zusammen mit wiederum mehr als 40 Teilnehmenden und einigen Aktivist*innen, die damals und wahrscheinlich auch heute noch entscheidend für die demokratische Entwicklung des Landes sind, verbrachten wir den sonnigen Nachmittag und Abend damit, über Demokratie und Klimaschutz zu diskutieren, uns bei einem hausgemachten Getränk im Sonnenuntergang auszutauschen und natürlich in der Diskussionspause die Musik der lokalen Sängerin Roza Bozhinova zu genießen.

"Was wir (in Polen) sehen, sind Transgender-Eltern, die ihre Kinder ins Ausland schicken, weil sie Angst um ihr Leben haben."

Teilnehmerin in Kopenhagen

WorldPride 2021 in Kopenhagen war der vierte Höhepunkt der Remember Tour Ende August. Die Kuppel wurde auf dem 1:1-Demokratiefestival platziert, das mit der WorldPride verbunden war. Die Diskussionen brachten viele Defizite und anhaltende Bedrohungen für Gleichberechtigung, Minderheitenrechte und Europa ans Licht. Am denkwürdigsten war die Diskussion über die sich verschlechternde Situation für LGBTQIA+ in Polen, aber auch - meist unbemerkt - in Slowenien. Angesichts der Tatsache, dass die polnische Regierung LGBTQIA+-Menschen zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt hat und transsexuelle Eltern ihre Kinder ins Ausland schicken, weil sie um ihr Leben fürchten, forderten alle Aktivist*innen nachdrücklich, EU-Fördermittel für Regierungen schneller zu kürzen und stattdessen jene Zivilgesellschaft zu unterstützen, die EU-Werte fördert.

"Zusammenzuhalten war für uns entscheidend, um die jüngsten Krisen zu bewältigen, durch die wir gegangen sind. Das ist einer der Gründe, warum die Europäische Union in unserem Leben so wichtig ist."

Teilnehmerin in Warschau

Passenderweise fand die fünfte Station der Remember Tour Mitte September im Łazienki Park in Warschau statt. Diese königlichen Gärten im Zentrum der Hauptstadt sind vor allem durch Polens letzten König, Stanisław August Poniatowski, bekannt. In seiner Sommerresidenz organisierte er die berühmten "Donnerstagstreffen", bei denen die einflussreichsten Persönlichkeiten der damaligen Zeit über das Funktionieren des Staates diskutierten. Diese Treffen führten unter anderem zu großen Reformen des Staates, darunter die erste Verfassung Europas - die Verfassung vom 3. Mai.

Unter der Kuppel kam eine wirklich internationale Gruppe zusammen, wobei sie mühelos zwischen Englisch und Polnisch wechselte. Es wurde auf das Paradoxon hingewiesen, dass die nationalen Regierungen bestimmter Länder die Weiterentwicklung der EU behindern und die Kommunikation über die EU gegenüber ihren Bürger*innen verdrehen, während sie gleichzeitig den Großteil der EU-Mittel erhalten und diese verteilen, ohne die europäische Unterstützung hervorzuheben. Könnte also ein Europa der Regionen dazu beitragen, diese Instanzen gegebenenfalls zu umgehen?

"Solange es keine Blutzirkulation zwischen politischen Gruppen und der Zivilgesellschaft gibt, werden erstere sterben".

Teilnehmerin in Prag

Prag war die letzte Station der Remember Tour im Rahmen des alljährlichen Festivals der Demokratie Mitte Oktober. Auch der Regen konnte unsere 40 Teilnehmenden nicht davon abhalten, sich an den Dome-Talks zu beteiligen. Gemeinsam mit Bürger*innen, Aktivist*innen der Studierendenbewegung von 1989, nationalen und europäischen Politiker*innen erforschten wir den Zustand der Demokratie in der Tschechischen Republik unmittelbar nach den Wahlen und den demokratischen Zustand in Europa. Einmal mehr wurden die Unterschiede zwischen Westeuropa und dem Rest der Europäischen Union auf der Grundlage der Erfahrungen mit historischen Regimen, die Rolle der Jugend, Rechte von LGBTQIA+, das Klima und viele weitere Themen zur Sprache gebracht.

Auch wenn die Tour und die Ideensammlung nun vorbei sind, freuen wir uns auf eine spannende zweite Phase des Projekts! Im Mai nächsten Jahres werden wir die geäußerten Ideen und Anliegen in einem speziellen Remember-Ideenkatalog an europäische Entscheidungstragende übergeben. Mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments, Vertretende der Europäischen Kommission und Minister*innen, die wir unter der Europakuppel begrüßen konnten, haben bereits zugesagt, den fertigen Ideenkatalog entgegenzunehmen. 

Und wir alle können uns in dieser Zeit der Analyse auf sechs besondere Schmankerl freuen. Ab November veröffentlichen wir jeden Monat ein zusammenfassendes Video von jeder Station - so können wir alle einige der besten Momente der Tour noch einmal erleben und Europa und seinen Ideenreichtum hautnah erfahren!

 

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