Nach über 200 deutschlandweiten HausParlamenten mit insgesamt fast 1.200 Teilnehmern, war am 30. Oktober die Politik dran. Staatsminister Michael Roth nahm im Europäischen Haus Berlin Stellung zu den Ergebnissen und stellte sich den Fragen der HausParlamentarier.
Ziel der HausParlamente, die von Juli bis September von Privatpersonen organisiert wurden, war es, möglichst unterschiedliche Menschen an einen Tisch zu bekommen. HausParlamente sind im Idealfall heterogen und bringen Menschen aus mehreren sozialen Milieus, also solche, die sich im Alltag eher selten auf ein Bier treffen und dabei in politische Diskussionen abschweifen, zusammen. Jeweils vier bis sieben HausParlamentarier debattierten nach einem vorgegebenen Gesprächsleitfaden, tauschten ihre Meinungen zur EU-Außenpolitik aus und stimmten zu guter Letzt ab.
Diese Abstimmungsergebnisse bildeten nun die Grundlage unserer Ergebnisvorstellung mit Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.
Auf die Hauptfrage, ob die EU-Außenpolitik aufgrund der „America-first“-Politik von US-Präsident Donald Trump neu gestaltet werden solle, antworteten 56 % der HausParlamente positiv. Sie gaben also im Durschnitt auf einer Skala von 1 bis 10 eine 6 oder besser.
Auch Michael Roth stimmte zu. Er betonte hierbei die Wichtigkeit, die EU in eine Lange zu versetzten, in der sie außenpolitisch nicht nur reagieren, sondern auch agieren kann. Eine zentrale Frage sei dabei, ob wir es schaffen aus dem „Friedensprojekt EU“ ein gesamteuropäisches Projekt zu machen. Besonders im Hinblick auf Demokratisierungs- und Menschenrechtsfragen in osteuropäischen Staaten außerhalb der EU nehme die USA hier noch eine sehr große Rolle ein. Eine stärkere außenpolitische Unabhängigkeit gehe also für Roth auch damit einher, diese Rolle als EU zu übernehmen. Da man eine „Neuausrichtung der EU-Außenpolitik“ natürlich sehr breit definieren kann, stimmte Herr Roth auf einer Skala von 1-10 mit einer „10“ ab.
Ein erster Schritt in die Richtung einer reformierten EU-Außenpolitik wäre beispielsweise die Schaffung des Amtes eines europäischen Außenministers bzw. eine Außenministerin. Genau hier setzt Unterfrage 1 an:
„Braucht die EU einen europäischen Außenminister bzw. eine Außenministerin mit Entscheidungs- und Umsetzungskompetenz?“
Moment mal! Haben wir mit Federica Mogherini, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik nicht bereits eine Art Außenministerin? In gewisser Wiese ja, deshalb ziele diese Frage auch eher darauf ab, ob wir bei diesem Amt nicht etwas vermissen. Vielleicht mehr Entscheidungs- und Umsetzungskompetenz?
Hierzu gab es mit 71 % Zustimmung ein klares „Ja“ von Seiten der HausParlamente.
Michael Roth sieht ebenfalls eine große Notwendigkeit, die Kompetenzen der Hohen Vertreterin zu erweitern. Allerdings solle in diesem Zuge nicht nur die Exekutive, sondern auch die Legislative gestärkt werden. Die Kompetenzstärkung Mogherinis solle daher mit einer stärkeren Rückkopplung zum Parlament einhergehen. Nichtsdestotrotz stuft Roth die Wahrscheinlichkeit, dass es mittelfristig eine gemeinsame EU-Außenministerin gibt, mit 5 ein. Es hänge stark vom Ausgang der nächsten Wahlen ab und davon wie stark der Druck auf die EU von außen sein wird, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen.
Angesichts Angela Merkels Plädoyer für eine gemeinsame europäische Armee im EU-Parlament am 13 November, trifft unsere zweite Unterfrage genau den Zahn der Zeit:
„Sollte eine europäische Armee die nationalen Armeen ablösen?“
Die HausParlamentarier stimmten mit 56% dafür.
Staatsminister Roth ist für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Armee, sofern eine parlamentarische Komponente wie in Deutschland, gewährleistet ist. Für ihn sei das einfachste und schönste Argument dafür, dass man mit der Abschaffung nationaler Armeen in Europa zukünftig definitiv ausschließen kann, jemals wieder Krieg gegeneinander zu führen. Außerdem könne man so selbstverständlich auch enorme Kosten einsparen, sodass mehr Geld in anderen Bereichen ausgegeben werden kann. Im Zuge seiner Argumentation warnte Roth auch davor, die Schaffung einer gemeinsamen Armee als Militarisierung Europas miss zu verstehen. Es ist vielmehr eine Bündelung der einzelnen nationalen Kräfte und nicht die Summe aus 27 Armeen. Darüber hinaus müsse die Frage, wie es mit der NATO weiterginge, geklärt werden, denn dies sei besonders für viele osteuropäische Staaten von zentraler Bedeutung. Schlussendlich hält Roth die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Armee in den nächsten zehn Jahren für eher unwahrscheinlich, er stimmt daher mit einer „3“ ab.
Bisher stießen alle Diskussionsfragen eher auf Zustimmung. Die dritte Unterfrage hingegen wurde von 55,4 % der HausParlamente abgelehnt.
„Falls sich nicht alle EU-Mitgliedstaaten einig sind, sollten sich EU-Staaten, die sich auf gemeinsame Positionen verständigen können, zusammentun, um europäische Außenpolitik zu gestalten? (Klub-Ebene)“
Ziel soll es sein, Blockaden im außenpolitischen Handeln zu vermeiden, dennoch ist die Ablehnung verhältnismäßig groß.
Roth könne sich vorstellen, dass dies mit der Klub-Formulierung zusammenhänge. Er habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass das Mehrheitsprinzip die Kompromissbereitschaft fördere, und sei daher bereit das Wagnis einzugehen. Er bewertet diese Unterfrage mit „7“ bis „8“.
Auch die vierte Unterfrage stößt bei 57 % der Hausparlamente auf Ablehnung.
„Ist eine engere Anbindung an andere strategische Partner wie China oder Russland ratsam?“
Roth gibt zu bedenken, dass die EU sich, bevor sie sich an andere strategische Partner wie China oder Russland bindet, zunächst einmal eine eigene klare Identität aufbauen müsse. Ungeachtet der Tatsache, so Roth, dass die EU im Konzert der globalen Mächte faktisch keine Rolle spiele, könne die EU nur dann Gewicht haben, wenn sie mit einer gemeinsamen Stimme spreche. Dies wird jedoch nicht leicht werden, denn aktuell gäbe es eine Fülle an außenpolitischen Positionen, in denen die EU-Staaten nicht übereinstimmen. Dennoch sei Staatsminister Roth dafür, dass die guten Beziehungen einzelner EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich zu Nicht-EU-Staaten, wie Kanada, Japan oder Südafrika, zukünftig von der gesamten EU ausgingen.
Roth stimmt der Einschätzung der HausParlamentarier zu, dass ein unabhängiges Europa, welches mit vielen Staaten weltweit kooperiert, erstrebenswerter sei als die Anbindung an einzelne neue strategische Partner. Unter dieser Voraussetzung stimmt er mit „8“ bis „9“ zu.
Abschließend gibt Roth zu bedenken, dass wir ohnehin in einer interdependenten Welt leben und uns daher nicht voneinander abschotten könnten. Es sei dennoch wichtig die europäische Unabhängigkeit zu bewahren, um zukünftigen neuen Partnern auf Augenhöhe begegnen zu können.
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