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Arturo Maltonado

Die verpasste Chance auf direkte Demokratie in Peru

19-03-2018

Nach politisch und ökonomisch turbulenten Zeiten im 20. Jahrhundert hat Peru seit 2001 wieder eine demokratische Regierung etabliert. In den 1980er Jahren wurde das Land vom Terror des ‚Leuchtenden Pfades‘ dominiert, in den 1990er Jahren litt es unter einer Hyperinflation. Mit dem Beginn der Ära Fujimori 1990 konnten zwar Terrorismus und Wirtschaftskrise teilweise beseitigt werden, jedoch stand Peru fortan unter dem diktatorischen Regierungsstil des Präsidenten, welcher später für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurde.

Nach der komplizierten Geschichte der Nation ist Perus Transition zur Demokratie bereits 17 Jahre her. In der Verfassung der semi-präsidentiellen Republik sind nicht nur vier direkt-demokratische Verfahren auf nationaler Ebene, sondern auch zwei auf lokaler Ebene verankert. Beim Symposium zu „Political Culture and Active Citizenship“ des Navigators zu Direkter Demokratie  bei der Bergischen Universität in Wuppertal sprach Arturo Maldonado, Professor an der Pontificia Universidad Catolica del Peru, mit Democracy International über die Nutzung dieser Instrumente auf lokaler Ebene und den aktuellen Status der Demokratie in Peru.

Welche direkt-demokratischen Verfahren auf der Lokalebene gibt es in Peru?

Auf der lokalen Ebene haben wir zwei Instrumente. Das eine ist die Abberufung, und bei dem anderen können Gruppen von Bürgern Unterschriften sammeln und eine bestimmte Anzahl an Fragen niederschreiben, welche der Major dann beantworten sollte.

Nutzen viele Leute diese Verfahren?

Nein, sie werden nicht so oft benutzt, zumindest nicht das zweite Verfahren. Davon hatten wir erst einen Fall in der Hauptstadt. Im Gegensatz dazu wird die Abberufung enorm oft genutzt. Es gibt  hunderte Fälle von Abberufungen auf lokaler Ebene.

Welche Rolle spielen diese Verfahren für die demokratische Entwicklung des Landes?

Keine große Rolle, insbesondere nicht die Abberufung. Denn sie werden nicht dafür genutzt die politische Partizipation zu aktivieren, sondern hauptsächlich als Instrument für politische Rivalen. Abberufungen werden eher als zweite Runde von Wahlen verstanden, weil politische Gegner, die die Wahlen verloren haben Unterschriften sammeln und somit um Neuwahlen bitten können. Insofern ist es kein Verfahren zur Bürgerbeteiligung, sondern von lokalen Eliten um miteinander zu konkurrieren.

Ihre Präsentation heute hat den Titel „Uses and abuses of direct democratic instruments in Peru“. Welche Missbräuche haben Sie festgestellt?

Abberufungen werden missbraucht, weil wir sehr viele von ihnen haben und auch sehr viele Majors abberufen wurden. Es gibt also tausende von Majors und Ratsmitgliedern die außer Dienst waren. Für mich ist das insbesondere deshalb ein Missbrauch, weil dieser Mechanismus von direkter Demokratie nicht die Idee der ursprünglichen Empfehlung erfüllt. Zum Beispiel schlugen die linken Parteien in den 1980er Jahren dieses Instrument vor, um die Idee der partizipatorischen Demokratie zu verstärken und der Fujimorismo um Stimmen des Volkes zu steigern. Jetzt werden diese Ideen durch den inkorrekten Gebrauch allerdings nicht verwirklicht.

Ich möchte aber auch betonen, dass Abberufungen Instrumente zur Kanalisierung politischer Auseinandersetzungen sein können. Im Gegensatz zu politischen Akteuren die gegeneinander kämpfen, haben diese so zumindest institutionalisierte Mechanismen um in Wahlen gegeneinander anzutreten. Sich stets innerhalb kurzer Zeiträume wiederholende Wahlen führen zwar langfristig zu Instabilität, aber zumindest sind diese institutionalisiert. Ohne Abberufung gäbe es wahrscheinlich mehr Gewalt und Kriminalität.

Peru wird erst seit 2001 wieder demokratisch regiert, nach mehreren Militärdiktaturen und dem Autogolpe von Fujimori in 1993. Wie demokratisch ist Peru heutzutage ihrer Meinung nach?

Peru ist eine schwache Demokratie, denn im Moment gibt es mehrere Bestrebungen für Petitionen von verschiedenen Gruppen. Zum Beispiel gibt es gerade eine Petition im Kongress um den Präsidenten abzusetzen. Das ist bereits die zweite Petition dieser Art, welche zur Instabilität an der Spitze des Systems führt. Wenn der Präsident abgesetzt wird, sollte der Vize-Präsident seinen Platz übernehmen. Dieser sagte jedoch, dass er die Position nicht annehmen möchte. Wenn die Absetzung in diesem Fall also erfolgreich ist, wird es bald zu Neuwahlen kommen.

Nach 2001 hatte Peru einen großen ökonomischen Boom. Das führt natürlich zu materiellen Vorteilen: Anstieg der Mittelklasse, weniger Armut, mehr Ressourcen. Allerdings ist dieser wirtschaftliche Aufschwung nicht mit institutioneller Entwicklung verbunden, weswegen es eine Lücke zwischen Wirtschaft und Politik gibt. Die Wirtschaft des Landes ist stark, aber die Politik schwach. Diese Lücke ist gerade der Ursprung der Krise.

Inwieweit hat das Land aus seinen schlechten Erfahrungen gelernt?

Ich denke wir haben aus den schlechten Erfahrungen in wirtschaftlicher Hinsicht gelernt. Zum Beispiel sind wir sehr vorsichtig was Inflation angeht. In den 1980er Jahren haben wir Inflation in sehr hohen Raten erlebt, sodass diese im Jahr 1989 bei über 5000% lag wie es gerade in Venezuela ist. Das hat die Menschen gegen ökonomische Instabilität aktiviert.

Im Bezug auf Politik ist dies aber nicht der Fall, weil Leute in Peru von der Politik entfremdet sind. Sie wollen kein Teil von ihr sein. Dementsprechend haben die Menschen zwar Angst vor Wirtschaftskrisen, aber nicht vor politischen Krisen. Letztere sind Normalität in Peru. Die Perspektiven der Demokratie in Peru sind momentan nicht sehr gut, es ist kein „Happy Ending“ in Sicht. Das Land befindet sich eher in einer fragilen Situation.

Was wäre notwendig, um die Demokratie zu verbessern, sodass es gute Perspektiven für die Zukunft gäbe?

Es gibt zwei Wege um die Demokratie in Peru zu verbessern. Einer folgt dem Bottom-Up-Prinzip: nämlich die Idee zu fördern, dass Politik sich auf das alltägliche Leben auswirkt. Die Leute denken momentan, dass Politik außerhalb des Alltäglichen liegt und dass Politik nur von Politikern und nicht von Bürgern gemacht wird. Wir müssen also die Idee neu aufnehmen, dass Politik auch auf lokaler Ebene geschehen kann. Dabei geht es um Beteiligung und um das Allgemeinwohl. Das ist eine Angelegenheit der Bildung.

Von oben nach unten muss Peru jedoch lernen, dass es bei Politik um mehr als politische Auseinandersetzung geht. Es muss Zeit und Anstrengung investiert werden – nicht nur um die Wirtschaft aufrecht zu erhalten, sondern um Institutionen in Peru zu entwickeln. Das ist aus meiner Sicht das Patentrezept für Peru.  Eine zivile Kultur von unten und gleichzeitig Institutionen von oben aufzubauen.

 

Mehr Informationen:

Der Direct Democracy Navigator informiert über rechtliche Entwürfe in Peru: http://www.direct-democracy-navigator.org/countries/peru/regional   (nur auf englisch)

 

 

 

 

 

 

Mehr über das Symposium Political Culture and Active Citizenship

Political Culture and Active Citizenship Symposium
Seit sieben Jahren forscht Dr. Klaus Hofmann für den Navigator to Direct Democracy  an Rechtsinstrumenten der direkten Demokratie weltweit. Im Laufe...

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