Democracy International: In Europa hat man die Vorstellung, dass es in Texas eine Menge Erdöl und Erdgas gibt, dass Männer Cowboyhüte tragen und dass sich die Menschen nicht sonderlich um Umweltschutz kümmern. Wie hat es Denton als eine Stadt in Texas geschafft, Fracking zu verhindern?
Adam Briggle: Während der 1990er Jahre war Denton einer der ersten Orte, die von dem Umbruch in der Energie- und Gaserzeugung betroffen waren. Und somit waren das auch wir, die Bürgerinnen und Bürger von Denton. Wir verfassten bereits 2001 Verordnungen, um den Einsatz von Fracking zu regeln. Aber niemand konnte verstehen, wie giftig, laut und stinkend Fracking sein kann. 2009 wurden drei Gasbohrungen zugelassen, genau auf der anderen Straßenseite eines Krankenhauses und eines Spielplatzes, auf dem Kinder spielen. Damit wurde eine große Protestwelle ausgelöst. Dies war der entscheidende Moment, etwas gegen Fracking in Denton zu unternehmen.
2009 war unser Ziel bessere Gesundheits- und Sicherheitsstandards zu erzielen, also Fracking nicht völlig zu verbieten. Doch dann waren wir uneingeschränkt dagegen. Denn die Vertreter der Industrie behaupteten, dass sie von jeglichen Neuregelungen ausgenommen seien, weil per se die alten Gesetze gelten würden. Das heißt, die Industrie konnte Regeln anwenden, die noch viel früher, und zwar im Jahre 2001 erlassen worden waren. Dies hätte zur Massenindustrialisierung unserer Stadt geführt, wenn wir nichts dagegen unternommen hätten. Darum forderten wir ein völliges Verbot. Dieses wurde schließlich im November 2014 erteilt.
Welche Rolle hat die direkte Demokratie bei Eurem Protest gespielt?
In Texas gibt es das liberal-repräsentative Demokratiemodell. Aber einige Städte wie Denton haben eine Charter-Regelung, die uns erlaubt, unser eigenes Gesetz zu verfassen. Also konnten wir als Bürgerinnen und Bürger das Gesetz gegen Fracking selber genau schreiben. Wir benötigten 600 Unterschriften, um die Verordnung durchzubringen. Diese Anzahl war also sehr gering. Das Quorum sah vor, dass wir 25 Prozent der Wähler benötigten, die sich an der letzten Kommunalwahl beteiligt hatten. Bei den Kommunalwahlen wählen normalerweise nur 3.000 bis 5.000 Menschen. Das erklärt die niedrige Wahlbeteiligung von Denton mit insgesamt 120.000 Einwohnern.
Was bedeutet es, eine „Charter City” (Stadt mit Stadtrecht) zu sein? Wie wurde Denton eine „Charter City“?
Üblicherweise sagen wir „Home-rule-city“ (Stadt mit Selbstregierung). Eine Stadt erhält einen solchen Status, wenn sie mehr als 500 Ortsansässige hat. In dem Fall kann eine Stadt eine Charta haben. Das bedeutet, sie verfügt über die Polizeigewalt, Gesetze zu erlassen, die nicht ausdrücklich vom Staat außer Kraft gesetzt werden können. „Home rule“ macht viel möglich. Auf dieser Grundlage kämpfen wir auch gerade. In den Vereinigten Staaten ist lokale Selbstkontrolle eine konservative Idee, und in der Tat stimmten Konservative und Liberale für das Verbot.
Die Stadt Denton setzte Fracking im November 2014 außer Kraft. Doch dann wurde dieses Verbot im Mai 2015 wieder aufgehoben? Wie kam es dazu?
Es geht einfach um Geld. Wenn man nach Austin fährt, wo die Regierung des Staates Texas sitzt, wechselt man von der einen Regierungsform, die unmittelbar mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern verbunden ist, zu einer Regierung mit großen Geldinteressen. Dort fürchtete sich die Industrie sich vor dem Denton-Verbot. Zum Beispiel hatte die Stadt College Station eine sehr restriktive Fracking-Verordnung erlassen, nachdem unser Verbot erteilt worden war.
Daher dachte die Industrie, dass es nun einen Dominoeffekt geben würde und nun alle städtischen Gemeinden Fracking verbieten oder einschränken würden. Ich denke, dass die Industrie dann die Gesetzgeber von Austin beeinflusste. Die Lobby versuchte, eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetzesentwürfe durchzubringen, die auf die lokale Kontrolle abzielten und die alle vom Denton-Verbot angetrieben wurden. Einige von ihnen sagten „Städte können Fracking nicht verbieten“, andere „Es sollte überhaupt kein 'Home rule' (Selbstregierung) mehr geben“ oder „bevor Sie eine Petition der Bürgerinitiative starten, sollte diese vom Justizminister des (Bundes)Staates genehmigt werden, der eine Entscheidung treffen muss, ob sie konstitutionell ist”.
Das waren unterschiedliche Vorhaben. Verabschiedet wurde schließlich „House Bill 40“ (HB 40). Dieses Gesetz hinderte Städte ausdrücklich daran, Erdöl- und Erdgasaktivitäten zu regulieren, mit Ausnahme einiger Dinge, die wir auf lokaler Ebene kontrollieren können. Aber auch diese Dinge sollten „wirtschaftlich erträglich“ sein. Damit ignoriert Texas unsere demokratische Entscheidung.
Was macht die „Frack Free Denton“ Initiative nun? Plant Ihr, Fracking in Denton erneut zu verbieten?
Eine Idee ist die Entscheidung rechtlich anzugehen. Wir arbeiten auch daran, unsere örtlichen Vorschriften im Rahmen des HB 40 zumindest vorläufig zu verbessern – dazu gehört auch eine stärkere Notfallvorsorge. Wir hatten bereits Gasbrunnen in der Stadt, die explodiert und aufgebrochen sind.
Ebenso haben wir vor, die Abgeordneten und somit die politische Elite auszutauschen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, aber wir können es schaffen. Sehr interessant ist, dass Myra Crownover, Abgeordnete des Bundesstaats Texas, nicht mehr für die Wiederwahl kandidiert. Schon kurz danach wendeten sich zwei Politiker an mich, die neu kandidieren wollen und baten mich um Rat über die Erdöl- und Erdgaspolitik. Sie wissen, dass der „Frack Free Denton Block“ viele Wählerstimmen bringt. Damit können wir unseren Einfluss geltend machen. Es gibt ein paar hoffnungsvolle Zeichen, aber im Großen und Ganzen ist die Situation schon ziemlich deprimierend.
Dieses Interview ist eine Übersetzung aus dem Englischen.
Weitere Informationen:
- Adam Briggle: “A Field Philosopher's Guide to Fracking”
- “Frack Free Denton” – Denton Awareness Drilling Group
- Provisions of direct democracy in the City Charter of Denton