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Photo courtesy of Svetlanais, Getty Images Pro from Canva Pro

Starkes NEIN an den Wahlurnen, irische Referenden abgelehnt

04-04-2024

Zwei Referenden zur Streichung sexistischer Formulierungen aus der irischen Verfassung endeten in geringer Wahlbeteiligung und einer sehr deutlichen Absage: Wie kam es zu diesen Ergebnissen? Was sind die Lektionen und Konsequenzen?

Von Lorenza De Luna.

Am 8. März 2024 fanden in Irland zwei Verfassungsreferenden statt. Die Bürger:innen waren aufgefordert, über Änderungen am Familien Gesetz (39. in der Verfassung) und am Pflegegesetz (40. in der Verfassung) abzustimmen. In der Navigator-Typologie klassifiziert Democracy International ein solches Instrument, das eingesetzt wird, wenn der rechtliche Status quo einer bestimmten Angelegenheit von den gesetzgebenden Institutionen geändert werden soll, als obligatorisches Referendum.
 
Wahlberechtigt sind alle irischen Staatsbürger:innen, die mindestens 18 Jahre alt sind, ihren Wohnsitz in der Republik Irland haben und in das Wähler:innenverzeichnis eingetragen sind. Auf den Stimmzetteln wurden Wähler:innen gebeten, über die folgenden Änderungen mit JA oder NEIN zu stimmen: (1) die bisherige Definition von Familie, wie sie vom Staat im 39. Gesetz anerkannt wird, so zu erweitern, dass Familien nicht nur auf Ehen basieren, sondern auch auf andere dauerhafte Beziehungen; und (2) das 40. Gesetz zu ändern, indem Artikel 41.2.1 und 41.2.2, die sich auf die Bedeutung der Rolle der Frau im "Leben im Haushalt" und bezüglich der "Pflichten im Haushalt" konzentrieren, gestrichen werden, und stattdessen ein neuer Artikel eingeführt wird, der die grundlegende Rolle von Pflegepersonen in irischen Haushalten ohne Geschlechtsspezifikation hervorhebt. Die obligatorischen Volksabstimmungen betrafen daher mögliche Verfassungsänderungen, die lediglich der Realität entsprochen hätten, die sich seit dem Zeitpunkt als die Änderungen in 1937 verfasst wurden, so bereits entwickelt hat.
 
Zu den in den Abstimmungen aufgeworfenen Fragen wurden sowohl auf sozialer als auch auf politischer Ebene viele Positionen bezogen. Die meisten politischen Parteien, der Nationale Frauenrat, Family Carers Ireland, One Family und viele andere haben sich für ein JA ausgesprochen und damit beide Vorschläge unterstützt. Die einzige politische Partei, die sich gegen beide Referenden aussprach, war Aontú. Letztere Position vertraten auch einige unabhängige TDs (Teachta Dála, Mitglieder:innen des Unterhauses des Parlaments) und Senator:innenen, sowie von öffentlichen Vertreter:innenn der Kirche. Die vorherrschende Position war jedoch mit JA-NEIN zu stimmen. Diese Haltung sah die Unterstützung des Änderungsantrags zum 39. Gesetz vor - weil der Wortlaut des Artikels allgemein als ausgrenzend und unreflektiert gegenüber der aktuellen Realität betrachtet wird - sowie eine Ablehnung des Vorschlags zum 40. Das Argument gegenüber dem Änderungsantrag zum Pflegegesetz war, dass der Vorschlag zwar eine positive Änderung eines anachronistischen und sexistischen Wortlauts vorschlägt, aber keinen Bezug zu den Rechten von Pflegekräft:innen und zur Pflege enthielt. Es fehlte zudem eine operative Klausel die sich auf staatliche Verpflichtungen bezogen hätte, da Verantwortungen von Pflegepersonen außerhalb des Hauses oder in der Gemeinde nicht erwähnt wurden. 
 
Dennoch hatten die meisten Prognosen eine positive Reaktion auf beide Referendumsfragen vorausgesagt, wie es eine Umfrage der Irish Time eine Woche vor dem 8. März 2024 zeigte. Das tatsächliche Ergebnis kam jedoch ganz anders. Bei einer Wahlbeteiligung von 44,4 Prozent fiel das Referendum mit 67,7 Prozent der Stimmen gegen die Änderung der Familiendefinition aus, und der Antrag zur Änderung des so-genannten "Frauen-im-Haus"-Artikels wurde mit 73,9 Prozent abgelehnt.
 
Initiiert wurden die Referenden aufgrund von Empfehlungen einer Bürger:innenversammlung zur Gleichstellung der Geschlechter, welches 2021 stattfand; sowie aufgrund des anschließenden Vortrags der entsprechenden Referendumsfragen im Dezember 2022 durch den gemeinsamen Sonderausschuss Oireachtas. Aber wenn die Bürger:innenversammlung die irische Gesellschaft widerspiegeln und repräsentieren sollte, warum war das Referendum dann nicht erfolgreich? 
 
 
Was führte zu einem "überwältigenden Nein"?
 
Einer der Hauptgründe für die starke Ablehnung des Referendums war vor allem der Mangel an Informationen für Wähler:innen. Wie Prof. Jane Suiter in ihrem Interview für Democracy International erklärte, war es sehr wahrscheinlich, dass die meisten irischen Bürger:innen der Logik folgten: "Wenn man unentschlossen ist, stimmt man mit Nein, denn dann erhält man den Status quo und man weiß, was der Status quo ist". Prof. Suiter unterstütze diese These mit einem Blick auf die politischen Entwicklungen, die zum Tag der Abstimmung führten: Da die Bürger:innenversammlung aufgrund von Covid-19-Beschränkungen online abgehalten wurde, erhielten ihre Ergebnisse und Forderungen nicht genügend Aufmerksamkeit und Medienberichterstattung. Darauf folgten sehr wenige Diskussionen seitens der politischen Vertreter:innen – die sich alle für die Durchführung des Referendums aussprachen – und zugleich eine Reihe von Erklärungen unabhängiger Abgeordneter und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich dagegen aussprachen. Die Argumente, die dabei gegen die Referenden vorgebracht wurden, haben bei den irischen Bürger:innen genügend Zweifel geweckt, um die tatsächlichen sozioökonomischen und rechtlichen Folgen der vorgeschlagenen Änderungen zu hinterfragen. 
 
Dieses Thema wurde auch von Dr. Roslyn Fuller in ihrem Gespräch mit uns angesprochen. Sie war ebenfalls der Meinung, dass das "überwältigende NEIN" das Ergebnis von sehr wenigen Informationen war, die der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden. Sie argumentierte zudem, dass es bei dem fast vollständigen Konsens zwischen den politischen Parteien keine Diskussionen und keine klaren Standpunkte gab, über die die Bürger:innen hätten nachdenken und mit denen die Politiker:innen Wahlkampf hätten machen könnten. Gleichzeitig wies Dr. Fuller darauf hin, dass die irischen Bürger:innen zwar in Übereinstimmung mit den vorgeschlagenen Änderungen leben, aber nicht ausreichend über die Gründe für die Änderung des geschlechtsspezifischen Wortlauts der Verfassung informiert wurden, insbesondere da der Status quo keine sexistischen Praktiken erzwingt. 
 
Darüber hinaus wiesen beide befragten Expertinnen darauf hin, dass die Empfehlungen und Forderungen der Bürger:innenversammlung nicht in vollem Umfang erfüllt wurden, wie z. B. im Hinblick auf die Verantwortung des Staates gegenüber den pflegenden Angehörigen im weiteren Umfeld und nicht nur im häuslichen Bereich. Wie Dr. Fuller erörterte, "berühren diese beiden Referenden äußerst komplexe und wichtige Themen, weil sie mit sozioökonomischen Rechten und mit der Arbeitsteilung im Haushalt zu tun haben – etwas, das in den letzten Jahren in der Politik nicht wirklich angegangen wurde". Die Angelegenheit betreffe so grundlegende gesellschaftliche Fragen, dass sie weit über die Änderungen der irischen Verfassung von 1937 hinausreiche und fast zu einer Frage der gesamten westlichen Welt werde, bei der es um die Überschneidung von Feminismus und gesellschaftlichen Verhaltensnormen gehe. "Die Verankerung sozioökonomischer Rechte in der Verfassung ist sehr komplex", argumentierte Dr. Fuller, "denn es ist schwierig, sie im Zuge der unvermeidlichen gesellschaftlichen Veränderungen und Anforderungen zu verändern. Eine solche Änderung hätte eine längere und tiefgreifendere gesellschaftliche Diskussion erfordert". Um lediglich die geschlechtsspezifische Sprache und das Sexismus-Problem anzugehen, wäre es einfacher gewesen, bestimmte Formulierungen von einzelnen Sätzen zu verändern, anstatt die Verantwortung des Staates und andere Themen anzusprechen, die den sozioökonomischen Status quo hätten verändern können. 
 
Schließlich wurde auch deutlich, dass die Entscheidung, das Referendum am 8. März 2024 abzuhalten, sehr überstürzt getroffen wurde. Die Referenden am Internationalen Frauentag abzuhalten, fühlte sich fast wie Gestenpolitik an – und nicht wie ein sehr gründlich durchdachter Prozess, argumentierte Prof. Suiter.
 
 
Was sind die Lehren und Konsequenzen aus den Ergebnissen des 8. März 2024 in Irland?
 
Sicherlich "werden die politischen Parteien in Zukunft zurückhaltender sein, wenn es um Referenden geht", sagte Prof. Suiter, "und sie werden dafür sorgen, dass es bessere Kampagnen und klarere Informationen gibt." Sie hält es auch für sehr unwahrscheinlich, dass dieses Thema politisch wieder aufgegriffen wird, da es viel politisches Kapital kosten würde. Prof. Suiter geht stattdessen davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten keine Politiker:innen versuchen werden, die beiden Änderungsanträge wieder in Angriff zu nehmen, da sie deutlich ohne Erfolg geblieben sind. 
 
Darüber hinaus zeigten die Ereignisse rund um die Volksabstimmungen, wie wenig die irische Bevölkerung über Bürger:innenversammlungen und deren Arbeit wisse, argumentiert Dr. Fuller. Sie hebt weiter hervor, dass in Irland viele Expert:innen, die zur Teilnahme an der Bürger:innenversammlung eingeladen wurden, von NRO kamen, die vom Staat finanziert werden. Aus diesem Grund sei es so, als würde der Staat selbst Lobbyarbeit betreiben - was sie metaphorisch als "zwei Hände, die sich auf der gleichen Seite schütteln" beschreibt. Daher sei der Versammlungsprozess nicht sehr repräsentativ für die Menschen und die gesellschaftlichen Forderungen an den Staat. Das spiegele sich in den Themen der bestehenden Bürger:innenversammlungen wider, die, wie in diesem Fall, nicht die Prioritäten der irischen Bürger:innen ansprechen, so Dr. Fuller.
 
Trotzdem "akzeptieren die irischen Politiker:innen immer die Stimme des Volkes", sagte sie, "und das ist es, was Volksabstimmungen in Irland so positiv macht [...] es gibt einem das Gefühl, in einer Demokratie zu leben und dass die eigene Stimme respektiert wird".
 
Was die spezifischen Themen der Referenden betrifft, so ist es schwer, Vorhersagen über die Zukunft der irischen Politik und dessen Bedeutung für die irische Gesellschaft zu treffen, so Prof. Suiter, aber die Auswertungen von post-Referenda-Umfragen werden in den nächsten Wochen weitere Klarheit bringen.

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