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Das irische Referendum über Abtreibung: eine Heldentat der direkten Demokratie?

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Das irische Referendum über Abtreibung: eine Heldentat der direkten Demokratie?

27-06-2018

Am 25. Mai stimmte die Bevölkerung der Republik Irland mit überwältigender Mehrheit für die Aufhebung der achten Verfassungsänderung, die Abtreibung unter allen Umständen verbietet. Die Abstimmung wurde als tektonischer Wandel in der irischen Kultur begrüßt und als Sieg der Bürgerbeteiligung über die traditionelle, schleppende Politik gefeiert. Aber was ist der demokratische Wert des Referendums? Vorstandsmitglied Erwin Mayer und der irische Aktivist für direkte Demokratie Donal O'Brolcháin teilen ihre Ansichten.

Am 25. Mai sprachen sich zwei Drittel (66%) der irischen Wähler dafür aus, die achte Änderung der Verfassung zu streichen, die das Leben des ungeborenen Kindes mit dem der Mutter gleichstellt. Diese Bestimmung machte den Schwangerschaftsabbruch in der Republik Irland de facto rechtswidrig und führte zu schweren medizinischen Problemen. Ein Beispiel ist Savita Halappanavar, der während einer septischen Fehlgeburt eine Abtreibung verweigert wurde. Savita starb aufgrund der Komplikationen ihrer Fehlgeburt. Ihr Tod löste Massenproteste und eine landesweite Diskussion über die achte Gesetzesänderung aus.

Das Referendum über die Aufhebung der achten Änderung war schließlich Resultat einer Bürgerversammlung, gefolgt von einem parlamentarischen Ausschuss. Beide empfohlen die Aufhebung der 8 Gesetzesänderung. Im Anschluss an diesen Prozess stellte der Gesundheitsminister ein Referendumsgesetz vor.  Jede Verfassungsänderung bedeutet, dass das Parlament ein "Gesetz zur Änderung der Verfassung" verabschiedet, über das dann in einem Referendum abgestimmt werden muss, bevor es zu einem Gesetz wird.  Entscheidend ist die einfache Mehrheit der Stimmberechtigten ohne Wahlbeteiligungs-Quorum.  Da die Republik ein Einheitsstaat ist, gibt es keine Einschränkungen wie in Bundesstaaten, beispielsweise der Schweiz, den USA.

Die Bürgerversammlung wurde durch einen parlamentarischen Entschluss im Jahr 2016 gegründet. Ihr wurden bestimmte Themen wie Klimawandel, Überalterung der Bevölkerung und Organisation von Volksabstimmungen zugewiesen. Sie bestand aus 99 Bürgern, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, um den demographischen Gegebenheiten der irischen Bevölkerung zu entsprechen und wurde von einem sich im Ruhestand befindenden Richter des Obersten Gerichtshofs geleitet. Die Versammlung machte Empfehlungen an das Parlament, das dann darüber entscheiden konnte, wie es diese weiterverfolgte. Die Diskussionen über Abtreibung fanden an fünf Wochenenden in den Jahren 2016 und 2017 statt.

"99 Personen (ausgewählt, um Geschlecht, Alter, Region und soziale Klasse weitgehend zu repräsentieren), mit einem von der Regierung ernannten Vorsitzenden, diskutieren Themen, die vom Parlament vorgeschlagen und bis zu einem gewissen Grad von ihnen selbst ausgewählt wurden. Diese Themen waren allesamt wichtige Fragen für die irische Gesellschaft und der Prozess ließ genügend Raum für den Austausch relevanter Informationen und Meinungsbildung", betont Erwin Mayer die Bedeutung dieser langen gemeindeweiten Debatte. "Dieses irische Vorbild ist ein gutes Beispiel für die Verbindung von partizipativen Elementen mit direkter Demokratie in Form von verbindlichen Referenden."

Die hybride Form der Losverfahren und des Referendums hat in den internationalen Medien große Beachtung gefunden und gilt als Vorbild für deliberative Demokratie und Bürgerbeteiligung. Als besonders vielversprechend wird das Potenzial für den kulturellen Wandel eingeschätzt.

"Die Bürgerversammlungen haben viel Aufmerksamkeit erregt, weil sie zu drei Referenden über Änderungen unserer Verfassung von 1937 geführt haben, von denen zwei verabschiedet wurden: die gleichgeschlechtliche Ehe und die Aufhebung des Abtreibungsverbotes", sagt Donal O' Brolcháin, "Ein Thema wurde abgelehnt, die Wähler entschieden sich gegen eine Senkung des Mindestalters für Präsidentschaftskandidaten, am selben Tag wurde die Gleichstellung der Ehe akzeptiert".

Aber wir sollten nicht übersehen, dass diese Referenden nicht aus dem Nichts kamen, sie sind die Folge einer Reihe von Faktoren. "Es besteht kein Zweifel, dass das Ergebnis der Referenden über Abtreibung und Gleichstellung der Ehe in der Republik Irland das Ergebnis jahrzehntelanger Kampagnen zivilgesellschaftlicher Gruppen ist. Diese Kampagnen führten direkt dazu, dass beide Themen explizit in das Mandat des Verfassungskonvents 2012 und der Bürgerversammlung 2016 aufgenommen wurden", sagt er.

Ein weiteres entscheidendes Element, das zur Aufhebung der achten Änderung beitrug, war, dass sie erst 1983, ebenfalls per Referendum, in die Verfassung aufgenommen worden war. Donal weist darauf hin, dass die sozialen Realitäten bei der jüngsten Aufhebungskampagne eine große Rolle spielten:  Schätzungsweise 170.000 Frauen sind seit 1983 nach Großbritannien gereist, um eine Abtreibung vorzunehmen. Darüber hinaus war die breite und unkontrollierbare online-Verfügbarkeit von Abtreibungspillen ein Faktor, der die Entscheidung des Parlamentsausschusses beeinflusste.

Schließlich wird angenommen, dass bestimmte kulturelle Veränderungen zum Erfolg der Aufhebungskampagne beigetragen haben. Viel diskutiert wurde über den abnehmenden Status und Einfluss der katholischen Kirche in Irland, die in den letzten Jahren von Skandalen heimgesucht wurde. Donal weist darauf hin, dass auch die zunehmende Vielfalt der gewählten Amtsträger eine Rolle spielte. Irland hat kein First-Past-the-Post-System wie seine Nachbarn, sondern vielmehr ein Verhältniswahlsystem. Dies ermöglichte politischen Wandel und eine vielfältigere Repräsentation.

Die Bürgerversammlung folgte auf den irischen Verfassungskonvent, der zwischen 2012 und 2014 tagte und im Jahr 2015 den Anstoß für das Referendum zur Gleichstellung der Ehe gab.  Betrachtet man jedoch die Ergebnisse des Verfassungskonvents, wird ein fehlerhafter Prozess enthüllt.  Eine Bilanz von 2016 zeigt, dass nur 17% der Empfehlungen des irischen Verfassungskonvents von der Regierung akzeptiert wurden. Viele wurden formal abgelehnt, aber in den meisten Fällen wurden die vorgeschlagenen Themen einfach "geparkt".

Dieser Mangel an Output-Legitimität könnte die Erfolgsgeschichte der irischen Bürgerjury untergraben. "Wie lange werden die Bürger diese Versammlungen ernst nehmen, wenn den Empfehlungen nicht gefolgt wird", fragt Donal, "oder wenn die Machthaber die Dinge so einrichten, dass alles, was aus solchen Überlegungen hervorgeht, ihre Art, Dinge zu erledigen oder ihre Macht zu erhalten, nicht verkompliziert?" 

Ein Thema, das trotz des Drängens der Bürgerinnen und Bürger nicht in absehbarer Zeit für ein Referendum vorgesehen zu sein scheint, ist die direkte Demokratie. Sowohl der Verfassungskonvent als auch die jüngste Bürgerversammlung haben eine moderne direkte Demokratie gefordert. Die Einführung des Instruments der Bürgerinitiative erhielt bei beiden Veranstaltungen eine Mehrheit, die je nach Art der Bürgerinitiative zwischen 69% und 83% lag. "Das ist das fehlende Glied: das irische Volk sollte in die Lage sein, selbst zu entscheiden, über welche Themen, mit welcher Formulierung der Frage und wann Referenden abgehalten werden", bestätigt Erwin Mayer, "das irische Volk will und braucht ein rechtliches Initiativrecht, um dem Souverän, dem Volk, selbstbestimmte Rechtsvorschläge oder Verfassungsänderungen in Form von verbindlichen Referenden zu ermöglichen".

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