Zur Zeit hört man immer mehr von der "Europe 2019 Credit Initiative". Was versteckt sich hinter dem Namen? Welche Ziele verfolgt das Projekt?
Bei der Credit Initiative geht es um einen neuen Weg der Wirtschaft und des Geldes. Wirtschaft ist heute ein global vernetztes Geschehen – ein Ganzes. Dass heute die einzelnen Unternehmen als private Akteure mit Separatinteressen – z.B. dem Interesse von Shareholdern nach Profit – verstanden werden, passt überhaupt nicht zu dieser ganzheitlichen Realität. Aber natürlich ist auch der Staat als „Generalunternehmer“ keine Lösung.
Wir brauchen den Aufbau einer zwischen „Staat“ und „Privat“ stehenden, selbstverwalteten und assoziativ zusammenarbeitenden Wirtschaftssphäre, in der die freie unternehmerische Initiative im Dienste des Bedarfs und des Gemeinwohls ermöglicht wird.
Und wie soll diese „Wirtschaftssphäre“ innerhalb unserer profitorientierten Ökonomie überhaupt entstehen können?
Wir wollen da einen ersten Schritt anstoßen. Eine freie und faire Finanzierungsmöglichkeit durch zinsfreie Kredite für solche Unternehmen, die dauerhaft auf Profit verzichten und ihre Überschüsse mit den Unterschüssen ausgleichen wollen; mit Unterschüssen z.B. „gemeinnütziger“ Unternehmen, die für ihre Leistungen keinen oder einen nur geringen Preis am Markt erzielen können. Wir schlagen dafür ein „Recht auf Kredit“ vor, dass in der Satzung der ESZB und EZB verankert werden soll.
Dieser erste Schritt soll auch Anregung sein, über den grundlegenden Charakter von Wirtschaft nachzudenken und zu diskutieren. Denn das Ziel der Wirtschaft kann eigentlich nur sein, den Bedarf der Menschen zu befriedigen und dabei das Gemeinwohl, wie auch die Erde als unseren Lebensraum im Blick zu behalten. Eine zeitgemäße Geld- und Bankenordnung hätte dann einer solchen Wirtschaft zu dienen.
Hat die "Credit Initiative" auch demokratische Aspekte?
Die Initiative Europa 2019 plant ja im Vorfeld der nächsten Europawahl eine Europäische Bürgerinitiative zu lancieren, um das „Recht auf Kredit“ im EU-Recht zu verankern. Es ist also ein demokratisches Projekt, das wir uns da vorgenommen haben.
Aber Wirtschaft hat nicht per se etwas mit Demokratie zu tun. Da geht es um Sachverstand und Fähigkeiten. Da sind wir Menschen nicht als Gleiche unter Gleichen gefragt, sondern mit unseren unterschiedlichen Qualitäten. – Aber die Wirtschaftsordnung als solche ist im Recht, in den Gesetzen verankert. Und für die Gesetze sind wir als der „Souverän“ verantwortlich. Und insofern wir den Hebel in der Rechtsordnung einer Rechtsgemeinschaft – in unserem Fall der EU – ansetzen, ist das eine immanent demokratische Frage. Und auch die Geld- und Bankenordnung ist in der Demokratie verankert. Geld dürfen wir ja überhaupt nicht mehr als Wirtschaftswert verstehen, sondern als ein „Medium“, dass Rechte und Pflichten vermittelt.
Insofern wir unter dieser Voraussetzung die Geldprozesse in den Blick nehmen, müssen wir eigentlich von „demokratischer Legitimation“ sprechen, die dem gesellschaftlichen Funktionssystem „Geld“ seine Grundlage gibt. – Kurz gesagt: Wir sind nicht nur als als Konsumenten für die Wirtschaft verantwortlich und als „Mitproduzenten“ halt in der Lohnabhängigkeit gefangen. Nein, wir sind auch als der demokratische Souverän verantwortlich – gerade da, wo es ums Ganze geht!
Lass uns nochmals zu der Europäischen Bürgerinitiative zurückkommen. Warum eine Europäische Bürgerinitiative? Was sind eure (realistischen) Ziele?
Die EBI ist ja eigentlich noch ein sehr „mageres“ demokratisches Instrument. Man kann nur einen Vorschlag machen, mit dem sich die Kommission dann befassen muss. Ein demokratischer Gesetzgebungsprozess, an dessen Ende auch ein verbindlicher Entscheid der europäischen Bürgerinnen und Bürger steht, muss erst noch von uns errungen werden!
Aber die EBI ist immerhin die Möglichkeit, einen Vorschlag durch einen in der Rechtsordnung der EU verankerten demokratischen Prozess ins Spiel zu bringen. Dadurch ist es keine „Privatveranstaltung“ sondern ein „hoheitsstaatlicher“ Akt. Insofern ist es auch wichtig, die EBI zu beleben und weiterzuentwickeln. Und wir haben das Ziel, die nötige eine Million Unterschriften für die Europäische Bürgerinitiative auch zu erreichen. Dafür wollen wir uns in den nächsten Jahren vorbereiten, ein Bündnis aufbauen, die Menschen finden, die dann in dem einen Jahr, das für die Sammlung zur Verfügung steht, gut vorbereitet zu sein.
Vom 22.-25. August fand in Achberg, Süddeutschland, die Auftakt-Konferenz statt. Wer hat an der Konferenz teilgenommen? Welche Impulse ergeben sich aus dem viertägigen Treffen für Eure zukünftige Planung?
Du hast ja auch nach dem „Realismus“ unserer Ziele gefragt. Nun, nach unserem Treffen scheint es mir jetzt realistischer, das große Ziel erreichen zu können. Wir sind keine Nein-Kampagne, sondern schlagen etwas vor, was man erst mal etwas durchdenken muss. Aber bei unserem Treffen, an dem zwischen 50 und 60 Menschen vor allem aus Deutschland und Österreich, aber auch aus den Niederlanden und z.B. aus Schottland teilgenommen haben, war klar, dass diese Initiative eine Antwort ist auf die Krisen, mit denen wir ja tagtäglich konfrontiert werden: Die Credit Initiative will eine Antwort sein auf die „Kredit-Krise“, wie wir sie zum Beispiel in Griechenland erleben können, aber sie ist auch eine Perspektive in die Richtung globaler Solidarität, die noch so sehr fehlt, wenn wir etwa auf die unerträgliche Situation der Flüchtlinge blicken.
Das alles müssen wir ja nach und nach in den Griff bekommen. Aber wir können es noch nicht unter dem „kapitalistischen Vorzeichen“ unter dem alles steht. Dem haben wir bei unserem Treffen als Aufgabe entgegen geblickt und da waren schon einige Menschen dabei, die jetzt mitmachen wollen.
Wie kann man mitmachen? An wen können sich interessierte Menschen richten?
Es gibt eine Webseite: www.europe2019.net, da kann man Kontakt aufnehmen. Es gibt einen Newsletter und Hinweise zu Veranstaltungen, auch Facebook und Twitter. In Achberg haben wir jetzt ein Büro mit einem Mitarbeiter und ich Berlin ist etwas im Entstehen, da brauchen wir Menschen, die ganz spezifische Aufgaben übernehmen können. Und es soll jetzt bald auf der Webseite die Möglichkeit eingerichtet werden, dass man sich als Sammlerin oder Sammler eintragen kann. Wir wollen jetzt also die „Sammlung der Sammler“ organisieren. Das sind die nächsten Aufgaben.
Das Gespräch führte Cora Pfafferott
Fotos: Edda Dietrich