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Der Weg zur Unabhängigkeit

Der Weg zur Unabhängigkeit

02-02-2023

1998 schuf das Parlament des Vereinigten Königreichs mit dem Scotland Act das moderne schottische Parlament. Es legte die Gesetzgebungskompetenz der schottischen Regierung fest und ermöglichte dem Land ein gewisses Maß an Selbstverwaltung und Autonomie durch übertragene Befugnisse. Diese sind jedoch durch vorbehaltene Angelegenheiten – d. h. durch die im Gesetz aufgelisteten Sachverhalte, für die das schottische Parlament keine Gesetzgebungsbefugnisse hat – begrenzt. 

Ob ein bestimmtes Gesetz des schottischen Parlaments sich auf eine vorbehaltene Angelegenheit bezieht, kann festgestellt werden, indem der Zweck des Gesetzes, und dabei u.a. die Wirkung des Gesetzes in jeglicher Situation, in Betracht gezogen wird, wie es im Scotland Act heißt. Zu den vorbehaltenen Angelegenheiten gehört insbesondere die Frage nach der Vereinigung der Königreiche Schottlands und Englands.

Laut dem Scotland Act ist das schottische Parlament befugt, mit der Zustimmung der britischen Regierung ein legitimes, rechtlich bindendes Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten. So fand am 18. September 2014 das Unabhängigkeitsreferendum mit der Genehmigung des britischen Premierministers David Cameron statt. Das Ergebnis des Referendums erbrachte eine Zustimmung von nur 45 % für die Unabhängigkeit Schottlands.

Seitdem, insbesondere durch den Austritt aus der EU – gegen den Willen der Mehrheit der schottischen Bürger:innen – , könnte sich die Meinung der Bevölkerung drastisch verändert haben. Die britische Regierung bestand darauf, weitere Anträge auf eine ähnliche Abstimmung abzulehnen. Der ehemalige Premierminister Boris Johnson erklärte sogar, Referenden stellten keine einigende Kraft für eine Nation dar und sollten “nur einmal in einer Generation stattfinden”. Als Reaktion auf mehrere Ablehnungen erklärte die schottische Regierungspartei SNP die Absicht, im Jahr 2023 mithilfe deren Referendumsgesetzes ein konsultatives, nicht bindendes Referendum über die Unabhängigkeit abhalten zu wollen. Für den Fall, dass die Abstimmung zugunsten der Unabhängigkeit ausfallen sollte, würde die SNP beabsichtigen, mit der britischen Regierung zusammen auf eine Lösung hinzuarbeiten. 

Der Lord Advocate, der oberste Rechtsberater der schottischen Regierung, hatte allerdings Bedenken darüber, dass der Gesetzentwurf zu den vorbehaltenen Angelegenheiten gehören könnte und somit rechtswidrig wäre. Um die Frage rechtlich zu klären, verwies der Lord Advocate die Angelegenheit an den Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs. 

Am 23. November 2022 verkündete der Gerichtshof sein einstimmiges Urteil. Er stellte fest, dass der Zweck des Gesetzentwurfes darin bestand, eine Unabhängigkeitsabstimmung, die mehr als nur lose Auswirkungen auf die Union von Schottland und England hätte, abzuhalten. Dementsprechend befasse sich der Gesetzentwurf mit Angelegenheiten, die der britischen Regierung durch das Schottlandgesetz vorbehalten seien und daher außerhalb der Gesetzgebungsbefugnisse des schottischen Parlaments liegen würden.

Wie oft sollten Unabhängigkeitsreferenden abgehalten werden dürfen?

Mit den Worten "Die schottische Demokratie lässt sich nicht abstreiten" hat Nicola Sturgeon, die Erste Ministerin Schottlands, erklärt, sie werde die nächsten Parlamentswahlen als De-facto-Referendum nutzen. Diese sind für spätestens Januar 2025 geplant.

Wir von Democracy International haben Professor Matt Qvortrup, Unabhängigkeitsexperte und Autor des Buches "I want to break free", gebeten, seine Meinung zu einer der für die Demokratie dringendsten Fragen zu äußern, nämlich: Wird es ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands geben? Und weiterhin, wie oft sollten solche Referenden stattfinden dürfen?

Im Moment ist es sehr zweifelhaft, dass es ein zweites Referendum geben wird, sagte Professor Qvortrup, da die britische Regierung gesagt hat, dass sie ein Referendum nicht zulassen wird, und auch der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs festgestellt hat, dass die schottische Regierung keine rechtliche Befugnis zur Durchführung eines solchen Referendums hat. Es ist zwar demokratisch ungerecht, dass eine politische Partei, die mit dem Versprechen gewählt wurde, ein Referendum abzuhalten, dies nicht tun kann, aber rechtlich und politisch ist es sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem solchen Referendum kommen wird. 

Die britische Regierung behauptet, dass Unabhängigkeitsreferenden nur einmal in einer Generation abgehalten werden sollten. Matt Qvortrup sagte allerdings, dass ein Referendum abgehalten werden sollte, wenn es eine wesentliche Veränderung gibt, so wie es in Schottland seit der Abstimmung im Jahr 2014 mit dem Brexit der Fall war. "Auch in Malta stimmten die Bürger:innen 1956 über die Integration mit dem Vereinigten Königreich ab. Acht Jahre später, im Mai 1964, stimmten sie mit einer Zustimmungsrate von 54,5 % über eine Verfassungsänderung ab und wurden vom Vereinigten Königreich unabhängig. In Schottland ist die Situation genau die gleiche. Man kann innerhalb von zehn Jahren ein Referendum wiederholt abhalten, in Quebec gab es die Wiederholung eines Referendums innerhalb einer Zeitspanne von 15 Jahren. Das Argument, man könne kein Referendum abhalten, weil die Angelegenheit bereits entschieden sei, ist also nicht der Rede wert.

Das ist es, wofür die Demokratie steht: Wann immer es eine Agenda gibt, die ein gesetzlich bestimmtes Maß an Unterstützung in der Bevölkerung hat, sollte eine Abstimmung stattfinden können.

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