Liebe:r ,
Vor einigen Wochen war ich in New York, als der so genannte Pakt für die Zukunft auf dem Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet wurde. Der Gipfel wurde von Generalsekretär Guterres als „einmalige Neuordnung“ des globalen Regierungssystems angekündigt. Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass die Frage, wie Entscheidungen auf globaler Ebene getroffen werden, zur Sprache kommt.
Ich hatte in der Zeit davor große Hoffnungen in den Zukunftspakt gesetzt. Immerhin begann der Prozess vor vier Jahren vielversprechend. 1,5 Millionen Menschen waren damals nach ihrer Vision für die UNO befragt wurden. Ein Ergebnis dieser Konsultationen: das Gefühl der Menschen, keine Verbindung zur UN zu spüren, keinen Einfluss auf die Entscheidungen der UN zu haben. Daraus erwuchs in den Jahren danach die Forderung nach mehr partizipatorischen Mechanismen und einem besseren Zugang für die Zivilgesellschaft. Die daraus resultierende „Our Common Agenda“ von UN-Generalsekretär António Guterres enthielt die Grundlage und Richtungsweisung für Reformvorschläge, einschließlich der Aktualisierung der Strukturen und Prozesse der UN. Ja, die Mühlen mahlen langsam, auf UN-Ebene über Jahre, aber meine Hoffnung wuchs.
Für Democracy International habe ich den Entwurf des Zukunftspakts durch vier Überarbeitungsrunden begleitet. Meine Kolleg:innen und ich haben im Rahmen des Konsultationsverfahrens der UNO für die Zivilgesellschaft schriftliche Beiträge eingereicht. Wir schlossen uns mit einer Allianz von Organisationen in einer so genannten ImPACT-Koalition zusammen, dem offiziellen Verfahren zur Einbringung von Beiträgen nichtstaatlicher Akteure in den Pakt.
Und jetzt ist der UN-Zukunftspakt da. Auf der einen Seite ist das Dokument ein Meilenstein. Denn es enthält die erste Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung seit einem Jahrzehnt und das erste internationale Abkommen über die Steuerung der künstlichen Intelligenz überhaupt. Es unterstreicht die existenzielle Krise, die Klimawandel und Krieg darstellen. Es ist ein starkes Bekenntnis zu künftigen Generationen und jungen Menschen.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn auf der anderen Seite fehlt die notwendige Reform der Weltordnungspolitik. Bericht für Bericht, Überarbeitung für Überarbeitung mussten wir mit ansehen, wie die Formulierungen zur Bürgerbeteiligung und zur Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft dahinschmolzen.
Selbst die sehr vorsichtige Verpflichtung, „neue Wege der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft“ zu finden, wurde in letzter Minute gestrichen. Das hat viele Gründe und einer davon ist ganz simpel: die Mitgliedstaaten, von denen nur noch 51 % Demokratien sind - wollen ihre Macht nicht teilen. Das Wort „Demokratie“ kommt in dem Pakt nicht mehr vor. Und die Struktur, die in den 1940er Jahren erdacht wurde und die technologischen und erzieherischen Fortschritte, die wir seitdem gemacht haben, ignoriert, bleibt vorerst bestehen.
Was bedeutet das für uns? Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist, dass der Pakt die Tür für eine lang erwartete Reform des Sicherheitsrates und eine dringend benötigte Wiederbelebung der Arbeit der Generalversammlung öffnet. Wir haben eine Reihe von Vorschlägen, was helfen würde! Und wir werden weiter dafür kämpfen, zusammen mit mittlerweile über 300 zivilgesellschaftlichen Organisationen und demokratischen Mitgliedsstaaten der UNO. Auch wenn die Demokratie im Text nicht mehr vorkommt, so wirkt sie so doch auf die Verhandlungen der UN ein. Wir bleiben also dran – trotz Enttäuschung -, versprochen!